Geschichte
Am 11. März 1808 gründeten Frankfurter Bürger das “Museum”, einen „Musenverein“ zur Pflege und Förderung der Literatur, bildenden Kunst und Tonkunst. Zweck der Gesellschaft war es laut Satzung, “durch Verbindung der ästhetischen Cultur mit der moralischen die höchste Cultur der Menschheit nach Kräften zu fördern” und dabei “durch wechselseitigen Ideenvertrieb ärmlicher Einseitigkeit entgegenzuarbeiten”. Treibende Kraft hinter der Gründung war der Füstprimas des Rheinbundes und zeitweilige Großherzog von Frankfurt Karl Theodor von Dalberg, der zur Zeit der napoleonischen Herrschaft die Modernisierung des Bildungswesens nach französischem Vorbild vorantrieb und das „Museum“ als Keimzelle einer künftigen Akademie der Literatur und schönen Künste betrachtete. Die Sitzungen der Gesellschaft, deren Mitgliederzahl zunächst auf 150 begrenzt wurde, fanden jeden zweiten Freitag in einem angemieteten Hotelsaal statt und beinhalteten literarische und musikalische Vorträge sowie “Kunstbeschauungen” anhand eigens dazu ausgestellter Bilder aus der Gemäldesammlung des „Museums“. Die Beiträge – auch die musikalischen – kamen zumeist von den aktiven Künstlern und Literaten unter den Mitgliedern der Gesellschaft. Eine Ausnahme bildeten die “großen Museen”, für deren musikalische Gestaltung das Orchester des “Comoedienhauses” – das spätere Opernorchester – engagiert wurde. Mit der wachsenden Attraktivität der “großen Museen”, die zeitweilig von Louis Spohr geleitet wurden, wandelte sich das “Museum” sukzessive zur Konzertgesellschaft. Durch die geänderte Satzung von 1847 wurde die bildende Kunst aus den Veranstaltungen verbannt, 1855 kam es zum letzten Mal zu einem literarischen Vortrag zwischen den musikalischen Programmbeiträgen.
Das Jahr 1861 brachte eine entscheidende Veränderung: aus dem “Museum” wurde die “Museums-Gesellschaft”, deren Konzerte nicht mehr nur einer kleinen Zahl von Mitgliedern vorbehalten waren, sondern dem gesamten Frankfurter Publikum zugänglich gemacht wurden. Möglich wurde dies durch den neu eröffneten “Saalbau” in der Junghofstraße, einen großen Konzertsaal für 1800 Zuhörer mit hervorragender Akustik, an dessen Bau sich die Gesellschaft finanziell beteiligt hatte. Die “großen Museen” zogen als “Freitagskonzerte” in den Saalbau um und wurden damit zum repräsentativen sinfonischen Konzertzyklus der aufstrebenden Stadt. 1870 kam eine eigene Kammermusikreihe hinzu, 1894 als zweiter sinfonischer Zyklus die “Sonntagskonzerte” – beide bestehen in ununterbrochener Tradition bis heute fort! Der prächtige Neubau des Frankfurter Opernhauses, der 1880 eröffnet wurde, hatte auch positive Auswirkungen auf die Größe und Qualität des Orchesters. Die Museums-Gesellschaft entwickelte sich nun zu einem Konzertveranstalter von internationalem Rang und wetteiferte mit dem Leipziger Gewandhaus und dem Kölner Gürzenich um die führende Stellung im deutschen Musikleben. Johannes Brahms war häufiger Gast in den Kammerkonzerten und ließ einige seiner Werke hier uraufführen. Auch Richard Strauss war der Gesellschaft verbunden: er leitete im Saalbau die Uraufführungen von “Also sprach Zarathustra” und “Ein Heldenleben” und war auch sonst häufig als Dirigent eigener Werke zu Gast.
Seit der Gründung des “Museums” wurden die Sinfoniekonzerte der Museums-Gesellschaft vom Orchester der Frankfurter Oper bestritten, das nicht selten durch Musiker aus den benachbarten Städten verstärkt wurde. Für die Leitung der Konzertzyklen engagierte man allerdings seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eigene Chefdirigenten, die nicht mit dem jeweiligen künstlerischen Leiter der Oper identisch waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es der Gesellschaft, besonders prominente Konzertdirigenten an sich zu binden, darunter Willem Mengelberg (1907-1920), Wilhelm Furtwängler (1920-1922) und Hermann Scherchen (1922-1924). Ab 1924 übernahm mit Clemens Krauss erstmalig wieder der Intendant und 1. Kapellmeister des Opernhauses auch die Leitung der Museumskonzerte. Nach dem zweiten Weltkrieg sollte dies zur festen Regel werden. Nun aber kamen zunächst unsichere Zeiten auf die Museums-Gesellschaft zu: die Hartnäckigkeit, mit der sie sich 1933 gegen die Gleichschaltung sperrte, führte zu wachsenden Pressionen und schließlich zur zeitweiligen Zwangsfusionierung der Museumskonzerte mit den Konzerten des “Reichssenders Frankfurt” (zuvor “Südwestdeutscher Rundfunk”, heute “Hessischer Rundfunk”). Auf diese Weise wurde auch der Musikchef des Senders, Hans Rosbaud, für einige Zeit zum regelmäßigen Dirigenten der Sonntagskonzerte der Museums-Gesellschaft. Von 1938 bis 1945 leitete Franz Konwitschny als GMD die Frankfurter Oper und die Museumskonzerte.
Nach dem Krieg gingen Hessischer Rundfunk und Museums-Gesellschaft wieder getrennte Wege. Der Saalbau war, ebenso wie die Oper, den Bomben zum Opfer gefallen, weshalb die schon im Oktober 1945 wieder aufgenommenen Museumskonzerte zunächst abwechselnd im Börsensaal und im Gesellschaftshaus des Palmengartens, später auch im Turmpalast-Kino stattfanden. GMD der ersten Jahre war Bruno Vondenhoff, der die Zeit der Nazi-Herrschaft unbelastet überstanden hatte und zugleich an der Frankfurter Musikhochschule den Wiederaufbau der Opern-Abteilung übernahm. Anstelle der beiden eigenständigen Konzertreihen am Freitag und Sonntag wurden ab 1946 die bis heute üblichen Doppelaufführungen am Sonntagvormittag und Montagabend eingeführt. Auch die Kammerkonzerte wurden wieder aufgenommen, und ab 1952 fanden die Sinfoniekonzerte im wieder aufgebauten Schauspielhaus statt, das seither als “Großes Haus” der Oper dient.
Prägend für den Wiederaufstieg der Frankfurter Oper wie der Museumskonzerte waren in den folgenden Jahrzehnten die Generalmusikdirektoren Georg Solti (1952-1961) und Christoph von Dohnanyi (1968-1977). In die Ära des GMD Michael Gielen (1977-1987) fällt der Umzug der Museumskonzerte in die 1981 als Konzerthaus wiedereröffnete “Alte Oper”. Gielens Nachfolger Gary Bertini (1987-1990) und Sylvain Cambreling (1993-1996) waren der Stadt und dem Orchester nur wenige Jahre verbunden, setzten aber in den Museumskonzerten wichtige Akzente. Paolo Carignani (1999-2008) und Sebastian Weigle (2008-2023) führten die sinfonischen Konzerte der Museums-Gesellschaft zu neuen Höhe- und Glanzpunkten und schufen damit beste Voraussetzungen für Thomas Guggeis, der mit Beginn der Saison 2023/24 die Leitung des Orchesters übernahm. Die Kammerkonzerte der Gesellschaft sind aus dem Musikleben der Region nicht wegzudenken und suchen deutschlandweit ihresgleichen. Neben den Konzertveranstaltungen hat die Museums-Gesellschaft eine Vielzahl weiterer kultureller Aktivitäten entwickelt, mit denen sie das Musikleben fördert und die Weitergabe der “klassischen” Musikkultur an kommende Generationen sichert, darunter den renommierten Dirigentenwettbewerb “Sir Georg Solti”, Wettbewerbe für Amateurmusiker, moderierte Familienkonzerte, Altenheimkonzerte und Gesprächskonzerte in Frankfurter Schulen. Sie stellt sich damit den Herausforderungen eines sich wandelnden Musiklebens und blickt, im dritten Jahrhundert ihres Bestehens, voller Optimismus und Zuversicht in die Zukunft.
Literatur:
- Sammlung einiger in dem Frankfurter Museum vorgetragenen Arbeiten, Frankfurt am Main 1810
- Paul, Jean: Museum, Stuttgart 1814
- Clemens, Aloys: Vorträge vermischten Inhalts, gehalten im Museum zu Frankfurt a. M., Frankfurt am Main 1837
- Knorr, Iwan: Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Frankfurter Museumsgesellschaft 1808 bis 1908, Frankfurt am Main 1908
- Ebrard, Friedrich Clemens: Zur Erinnerung an Justizrat Dr. Friedrich Sieger, Frankfurt am Main 1924
- Heermann, Hugo: Meine Lebenserinnerungen, Leipzig 1935
- Bary, Helene de: Museum – Geschichte der Museums-Gesellschaft, Frankfurt am Main 1937
- Hock, Hermann: Ein Leben mit der Geige, Frankfurt am Main 1950
- Weber, Hildegard (Hrsg.): Das “Museum” : 150 Jahre Frankfurter Konzertleben 1808-1958, Frankfurt am Main 1958
- Mohr, Albert Richard: Musikleben in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1976
- Schembs, Hans-Otto: Vom Saalbau zu den Bürgerhäusern. Die Geschichte der Saalbau-Aktiengesellschaft und der Saalbau GmbH in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1989
- Hanau, Eva: Frankfurter Musikinstitutionen 1933 bis 1939, Köln 1994
- Roth, Ralf: Stadt und Bürgertum in Frankfurt am Main. Ein besonderer Weg von der ständischen zur modernen Bürgergesellschaft 1760 – 1914, Frankfurt am Main 1996
- Bartholomäi, Paul: Das Frankfurter Museums-Orchester – zwei Jahrhunderte Musik für Frankfurt, Frankfurt am Main 2002
- Ziemer, Hansjakob: Die Moderne Hören. Das Konzert als urbanes Forum 1890-1940, Frankfurt am Main 2008
- Brockhoff, Evelyn (Hrsg.): Musik in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2008
- Hoffmann, Hilmar: Frankfurter Stardirigenten, Frankfurt am Main 2008
- Christian Thorau, Andreas Odenkirchen, Peter Ackermann (Hrsg.): Musik – Bürger – Stadt. Konzertleben und musikalisches Hören im historischen Wandel. 200 Jahre Frankfurter Museums-Gesellschaft, Regensburg 2011