Kirill Gerstein, Klavier
Thomas Guggeis, Dirigent
Mensch und Natur
Musik ist immer auch ein Spiegel ihrer Zeit. Bernsteins Age of Anxiety, das „Zeitalter der Angst“, von 1947 bis 1949 komponiert nach einem Gedicht des britischen Lyrikers Wystan Hugh Auden, beschreibt das unsichere und wechselvolle Lebensgefühl der Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Gedicht erzählt von vier jungen Leuten, die ihre Ängste und Einsamkeitsgefühle in einer New Yorker Bar mit reichlich Alkohol herunterspülen, wechselnde Bindungen eingehen und verzweifelt Halt und Glauben in einer fremd gewordenen Welt suchen.
Bernsteins Sinfonie mit Soloklavier – er hätte es auch Klavierkonzert nennen können – hält sich eng an das Gedicht. Auf den Prolog in der Bar folgen fünf Sätze, in denen die vier Personen sich betrinken, durch die Stadt fahren, gemeinsam feiern und am Ende auseinandergehen. Die Musik ist eklektisch und enthält Elemente des Jazz ebenso wie Anklänge an Ravel, Strawinsky, Schostakowitsch und Gershwin.
Wie der Beiname „Pastorale“ nahelegt, wird Ludwig van Beethovens 6. Sinfonie zumeist als heiter-idyllische Landsinfonie gedeutet. Dass sie gleichzeitig mit der 5. Sinfonie in c-Moll entstand, zeigt, dass sie nicht Ausdruck lang anhaltender Heiterkeit des Komponisten ist. Die äußeren Umstände waren alles andere als idyllisch. Es war die Zeit der Koalitionskriege, Wien war 1805 von französischen Truppen besetzt worden, und Beethoven hatte mit seinen persönlichen und verwandtschaftlichen Problemen zu kämpfen. So setzte er mit dem heiteren Landleben der „Pastorale“ auch einen Kontrast zu den persönlichen und politischen Bedrohungen und Umwälzungen seiner Zeit.